Warum Reisen kein Urlaub ist

Veröffentlicht am 22. Mai 2021 um 16:48

Einblicke in unseren Alltag

 

Meistens wissen wir heute noch nicht, wo wir morgen sein werden. Klingt doch romantisch, oder? Aber wir fahren nicht in ein Hotel mit Vollpension, wo wir uns im Liegestuhl am Pool die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, nein. Wir sind auf Reisen! Was das genau bedeutet und wie unser Alltag dabei aussieht, das möchte ich Euch in diesem Artikel zeigen.

 

 

Jeden Tag schauen wir aufs Neue, an welchem Ort wir übernachten wollen und auch dürfen. Wir recherchieren auf der Park4Night App und Google Maps, welche Orte geeignet, schön und für unseren Champie erreichbar sind. Das kostet manchmal viel Zeit, da in der App so ziemlich jeder kleine Parkstreifen am Straßenrand eingetragen ist, obwohl es manchmal auch verboten ist, dort mit dem Wohnmobil zu stehen. Das heißt durch die Karte scrollen, Nutzer-Kommentare wälzen, Bewertungen lesen und oft auch einfach Orte anfahren, um sie selbst anzuschauen und das Gefühl entscheiden zu lassen: Fühlen wir uns hier sicher? Was befindet sich in der Umgebung? Wie ist der Untergrund? Wenn es regnen soll, stellen wir uns z.B. nicht auf eine Wiese, oder wenn es stürmt, auf einen ungeschützten Berggipfel. Neben der Stellplatzsuche heißt es also auch das Wetter im Auge zu behalten und ggf. Ausweichplätze parat zu haben. Machmal dauert es bis zu einer halben Stunde, einen vermeintlich guten Platz zu finden, zu dem man dann noch eine gute Stunde fährt. Wenn dieser Platz dann aus irgendwelchen Gründen nicht passt oder z.B. belegt ist, müssen wir weiter suchen und ggf. nochmal eine weitere halbe Stunde fahren, die nicht eingeplant war. So sind dann schon mal 2 Stunden vom Tag weg.

 

 

Bei unserer Routenplanung schauen wir außerdem, ob es unterwegs günstige Tankstellen oder eine wohnmobiltaugliche Waschanlage gibt. Besonders, wenn wir am Meer standen, muss das Salz regelmäßig vom Wohnmobil runtergespült werden, da es sonst nicht nur unschön aussieht, sondern auch schnell rosten kann. Das wollen wir natürlich vermeiden! Für die Recherche veranschlagen wir 10 Minuten und fürs waschen ca. 15 Minuten.

 

 

Jeden Morgen (bzw. teilweise mehrmals täglich) fegen wir das Wohnmobil aus. Ihr glaubt ja gar nicht, wie viel Dreck sich ansammelt, auch wenn wir jedes Mal die Schuhe ausziehen. Während wir morgens durchlüften, um die Feuchtigkeit von der Nacht rauszulassen, schüttelt Olli oft noch die Betten aus. Auch hier spielt das Wetter eine wichtige Rolle, denn wenn es regnet, haben wir logischerweise dementsprechend mehr Feuchtigkeit im Wohnmobil. Stichwort: Schimmelbildung! Wir rechnen dafür mal grob 15 Minuten.

 

Bevor wir losfahren können, muss unser Champie noch abfahrbereit gemacht werden. Bis alles weggeräumt und sicher verstaut ist, alle Pushlocks geschlossen sind, das Gas ausgedreht und die Trittstufe eingefahren ist, vergehen nochmal ca. 15 Minuten. Für die ganzen Dinge, die wir vor Abfahrt erledigen müssen, habe ich eine Karte mit den wichtigsten Dingen zusammengestellt, die unter der Sonnenblende des Fahrers steckt, damit wir immer noch mal darauf schauen können, bevor es wirklich los geht.

 

 

Was wir natürlich auch regelmäßig brauchen sind Lebensmittel. Je nach dem wo wir gerade sind, gibt es nicht immer einen großen Supermarkt mit einem geeigneten Parkplatz in der Nähe, dementsprechend müssen wir unsere Route vorausplanen. Wir müssen auch auf die Haltbarkeit der Lebensmittel achten, wozu wir uns einen groben Essensplan, meist für eine Woche, machen. Unser Kühlschrank fasst ca. 65 Liter inkl. eines kleinen Gefrierfachs, was schon eine beachtliche Größe für einen Wohnmobilkühlschrank ist. Wenn wir dann ca. ein Mal die Woche einen Großeinkauf machen, muss das ganze Zeug natürlich auch noch verstaut werden. Geschätzte Dauer hierfür: Minimum 1 Stunde.

Noch ein Fakt zu unserem Kühlschrank: Er ist unser Top 1 Stromverbraucher und verursacht das lauteste Geräusch in unserem Wohnmobil.

 

 

Wir kochen gerne selbst, frisch, aufwendig und gut. Für’s Zutaten zusammensuchen, schnibbeln und kochen, geht in der Regel pro Tag mindestens 1 Stunde drauf.

So gehört zu den alltäglichen Dingen natürlich auch, das Geschirr abzuspülen, da es sonst immer nur irgendwo im Weg herum steht. Das Spülen im Camper ist auch nicht ganz so einfach wie zu Hause, da unsere Spüle sehr, sehr klein ist, man muss sich dabei schon gut organisieren. Danach werden noch die Oberflächen abgewischt und alles wieder verstaut. Olli und ich machen das meistens zusammen, sodass es in 15-20 Minuten erledigt ist. Allein kann man die doppelte Zeit rechnen.

 

 

Immer wieder müssen wir schauen, dass auch unser Wohnmobil versorgt ist. Dazu gehört, neben dem Sprit, ausreichend Strom zu erzeugen, das Ausleeren der Toilette und des Abwassertanks, sowie Frischwasser zu aufzufüllen.

Strom erzeugen wir glücklicherweise beim Fahren, das kostet uns so gesehen also schon mal keine Zeit. Aber um von 0% auf 100% zu kommen, brauchen wir ca. 2,5 Stunden Fahrzeit. Unsere beiden Batterien haben insgesamt 230 Amperestunden, die uns für 3-4 Tage ausreichen, wenn wir an einem Ort stehen bleiben. Zusätzlich haben wir noch eine große Powerbox mit 20 Amperestunden, die wir sowohl während der Fahrt, als auch mit unserem Solarpanel laden können. Nur an dieser Powerbox können wir mit 230 Volt laden (z.B. Laptops), da im Wohnmobil kein Wechselrichter verbaut ist und dieses nur 12 Volt abgeben kann. Oder wir müssen uns an den Landstrom anschließen, doch den gibt es meist nur auf kostenpflichtigen Plätzen, der dann i.d.R. (in Spanien) nochmal 3€ extra kostet. Da wir lieber frei stehen heißt das, dass wir nach spätestens 4 Tagen gezwungen sind, eine längere Strecke zu fahren.

Unsere Toilette ist nach spätestens 5 Tagen voll und muss an einer entsprechenden Station, als sogenanntes Schwarzwasser, entsorgt werden.

Unser Abwasser läuft in einen separaten Tank unter dem Wohnmobil, das als Grauwasser in eine dafür ausgewiesene Rinne im Boden abgelassen werden kann. Auch dieses leeren wir regelmäßig, um nicht zu viel unnötiges Gewicht mit uns herumzufahren. Außerdem riecht es auch irgendwann ziemlich unangenehm.

Unseren 100 Liter Frischwassertank befüllen wir aus Gewichtsgründen nie komplett. Das Wasser, das wir in Spanien tanken, nutzen wir aber auch nicht als Trinkwasser, sodass uns 50-60 Liter ausreichen, bis sowieso die Toilette wieder geleert werden muss.

Die Ver- und Entsorgungsstationen in Spanien sind i.d. R. mit einer Ablaufrinne für Grauwasser, einem Kanal (bzw. Loch im Boden) fürs Schwarzwasser und einem Wasserhahn zum Frischwasser zapfen ausgestattet. So können wir schon mal drei wichtige Dinge an einem Ort erledigen. Diese Plätze finden wir auch über die Park4Night App und müssen auf unserer Route eingeplant werden. Ziemlich cool ist, dass viele dieser Stationen kostenlos sind und es zumindest in Spanien recht viele davon gibt. Schön gelegen sind diese Plätze zwar meistens nicht, aber man darf dort oft auch 24-72 Stunden, je nach Platz, kostenlos und legal mit dem Wohnmobil parken. Wir machen das manchmal, wenn wir duschen wollen oder die Wettervorhersage sehr schlecht ist, da die Plätze meist asphaltiert oder auf Schotterboden sind.

Geschätzte Dauer für die Ver- und Entsorgung, wenn wir nicht warten müssen, weil der Platz gerade belegt ist und wir keinen Umweg dafür fahren müssen: 15 Minuten.

 

 

Eine Waschmaschine haben wir auch nicht an Bord, weshalb wir immer mal wieder nach Waschsalons Ausschau halten müssen. Wir waschen ca. ein Mal im Monat, was uns insgesamt ca. 10 € kostet. Spanien ist diesbezüglich ganz gut ausgestattet und es gibt sehr große Maschinen (14kg und mehr), die nur 30-40 Minuten für einen Waschgang brauchen. Danach muss die Wäsche auch noch getrocknet werden, da wir, wenn wir mal waschen, so viel Zeug haben, dass wir das nicht einfach mal eben irgendwo aufhängen können. Also nutzen wir auch den Trockner, der nochmal (nur) 30-40 Minuten braucht. Bis dann alles zusammengelegt und wieder verstaut ist, vergehen ca. 1,5-2 Stunden.

 

 

Bevor wir uns dann am Abend ins Bett legen, räumen wir noch alles weg, was sich über den Tag so angesammelt hat, damit wir es auch am Morgen wieder schön aufgeräumt haben. Zu guter Letzt hängen wir noch eine Decke im Fahrerhaus auf, die als Rollladen, Sichtschutz und zum Schließen der Kältebrücke fungiert. Wir haben zwar auch Plissees im Fahrerhaus, wollen diese aber wegen der Feuchtigkeit und damit verbundenen Schimmelbildungsgefahr nicht bzw. nur selten nutzen. Auch, wenn nachts ungewöhnliche Geräusche von draußen kommen, können wir so unbemerkt über die Decke lunzen und werden von außen nicht sofort erkannt. Die anderen Plissees ziehen wir zu, nachdem wir die Fenster dicht gemacht haben und schließen das Wohnmobil ab. Dann natürlich noch Zähne putzen, Schlafanzug anziehen und die Lichterkette einschalten. Dauer hierfür, ca. 15 Minuten.

 

 

So beginnt jeder Tag aufs Neue mit den Fragen: Wo fahren wir heute hin? Gibt es unterwegs einen großen Supermarkt oder eine Wäscherei? Liegt auf dem Weg vielleicht eine günstige Tankstelle und können wir in der Nähe irgendwo ver- und entsorgen? Wie wird das Wetter und was wollen wir an dem Ort überhaupt machen? Denn neben dem ganzen Alltagskram wollen wir natürlich auch noch was schönes erleben.

Meistens gehen wir spazieren oder suchen uns eine Wanderroute, am liebsten zu einem Wasserfall, heraus. Wir erkunden gern gemeinsam, was die Natur um uns herum so zu bieten hat. Städte besuchen wir eher selten, aber auch dort möchten wir uns ab und zu eine Sehenswürdigkeit anschauen oder einfach ein wenig durch die Gässchen tingeln.

Zu meiner Lieblingsbeschäftigung gehört es, im See oder Meer zu baden. Ich freue mich auch immer über einen halbwegs ebenen und geschützten Platz zum Yoga machen. Olli optimiert gerne hier und da etwas und baut dafür auch schon mal das Wohnmobil auseinander, um Dinge umzuräumen und mehr Platz für uns zu schaffen. Gerne würden wir eine Tour mit unserem Kajak machen, welches wir dummerweise zu Hause gelassen haben... Nächstes Mal kommt das auf jeden Fall mit!

 

Das, was man geläufig unter einem „Urlaub“ versteht, hat, wie Ihr jetzt wisst, also ziemlich wenig mit dem Alltag eines Reisenden zu tun. Auch das, was sich hinter dem Modewort „Vanlife“ verbirgt, weist nur wenige Bezugspunkte mit der Realität auf, da es meist nur die positive Seite dieses Lebensstils widerspiegelt. Es ist wahrlich nicht jeder Morgen ein Wundermorgen!

Wir leben zwar erst seit Ende Januar in unserem Wohnmobil und sind seit Februar auf Reisen, aber wir wissen schon, was es bedeutet (auch in der kalten Jahreszeit) „draußen“ bzw. „mit der Natur“ zu leben, "...aber das ist eine andere Geschichte und soll ein ander Mal erzählt werden". Es ist eben ein anderer Alltag, als ihn die meisten und auch wir von früher kennen. Wir beschweren uns auch nicht darüber, im Gegenteil, wir können uns gut mit alledem, was dazugehört, arrangieren und genießen dieses Leben sehr! Wir haben es selbst so gewählt und für uns eine klare Entscheidung für diese Art zu Leben getroffen, nämlich unsere Gewohnheiten und die damit verbundene Sicherheit loszulassen, um uns der Freiheit und Ungewissheit hingeben zu können. Und das ist eine Entscheidung, die bitte jeder für sich selbst treffen soll!

 

Ich hoffe, dass ich Euch mit diesem Artikel einen guten Einblick in unseren Alltag geben und veranschaulichen konnte, warum man einem Reisenden keinen „schönen Urlaub“ wünschen sollte. Vielleicht fühlt sich sogar jemand durch diesen Artikel inspiriert, selbst eine Reise zu starten? Oder Ihr habt noch weitere Frage zu dem Thema? Lasst es mich gerne wissen und hinterlasst unten einen Kommentar oder schreibt mir eine private E-Mail. Ich freue mich auch über einen einfachen Smiley, wenn Euch der Artikel gefallen hat!

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